Die Rede vom „Schisma“ von 1054 - so eine Meldung von Vatcan-News - sei jedenfalls überholt bzw. widerlegt. Diese überraschende Feststellung fiel gleich zu Beginn des Symposions am 16. Januar in der Wiener Universität. Den Hauptvortrag dort hielt der Leiter des Dekasteriums für die Einheit der Christen, Kurienkardinal Kurt Koch, während der Ökumenische Patriarch Bartholomaios ein Grußwort übersandte.
Der Hintergrund: 1054 war Kardinal Humbert von Silva Candida im Auftrag von Papst Leo IX. nach Konstantinopel gereist, um ein militärisches Bündnis gegen die Normannen zu schließen, was misslang. Unglückliche Umstände führten dann leider dazu, dass der Karidnal als Legat des Papstes den Patriarchen Michael Kerullarios exkommunizierte. Kurz darauf folgte die Gegenexkommunikation. Das wurde in der Kirchengeschichte bisher oftmals als offizielles Datum der katholisch-orthodoxen Kirchenspaltung aufgefasst.
Am Vorabend der Schlusssitzung des Zweiten Vatikanischen Konzils, am 7. Dezember 1965, haben Papst Paul VI. und der Ökumenische Patriarch Athenagoras zur gleichen Zeit in der Basilika Sankt Peter in Rom und in der Kathedrale St. Georg im Phanar in Konstantinopel eine „Gemeinsame Erklärung“ vortragen lassen, in der die gegenseitigen Exkommunikationen bedauert und „aus dem Gedächtnis und der Mitte der Kirche“ getilgt und „dem Vergessen anheimgegeben“ wurden.
Patriarch Bartholomaios I. würdigte nun in seinem Grußwort die ökumenische Stoßrichtung des Wiener Symposions, in dem es erstens um die Frage gehe, was tatsächlich im Jahre 1054 passiert sei, und welche Wirkungsgeschichte sich nachzeichnen lasse. „Wir sind verpflichtet, mit allen unseren Kräften die Christus gefälligen Bemühungen für die Überwindung der Spaltung und für das Erreichen der ersehnten Einheit fortzusetzen“, so Patriarch Bartholomaios wörtlich. Er erinnerte an die Begegnung von Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras in Jerusalem 1964 und die Tilgung der Exkommunikationen 1965. Damit sei eine neue Periode der Beziehungen „zwischen unseren Schwesterkirchen“ eröffnet worden, so der Ökumenische Patriarch.
Kardinal Koch bekräftigte in seinem Vortrag eindeutig, dass der „Eklat von 1054“ kein Schisma und auch keine wechselseitige Exkommunikation der lateinischen und griechischen Kirche mit sich gebracht habe. Erst viel später habe das Datum seine große symbolische Bedeutung bekommen. Die Entfremdung zwischen Ost und West habe freilich schon viel früher als 1054 begonnen und sei auch danach weitergegangen. Allerdings müsse man sagen: „Da die Ereignisse von 1054 nicht die Trennung der Kirchen verursacht haben, konnte auch die Gemeinsame Erklärung von 1965 nicht das Ende der Trennung bedeuten“. Ihr großes Verdienst bestehe jedoch darin, „dass die Exkommunikationsbullen von 1054 nicht mehr jenes Gewicht haben können, das sie über lange Zeit in der Geschichte ausgeübt und damit die Beziehungen zwischen Lateinern und Griechen vergiftet haben“, so Koch.
Um die Trennung zu überwinden, müsse heute der erste Schritt darin bestehen, dass sich die katholische und die orthodoxe Kirche gegenseitig als Kirche anerkennen. Dem müsse aber der zweite Schritt folgen, nämlich die Wiederaufnahme der Kommuniongemeinschaft, so Koch: „Erst mit der Wiederaufnahme der eucharistischen Gemeinschaft wird die ungeteilte Kirche in Ost und West wiederhergestellt sein, was doch das eigentliche Ziel aller ökumenischen Bemühungen ist, die mit dem wichtigen Schritt am 7. Dezember 1965 verheißungsvoll begonnen worden sind.“
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