Albert der Große
Eine einzige Gemeinde in Würzburg hat einen Patron, dem man die Ehrenbezeichnung „der Große“ zuerkennt. Selbst der Dom kommt da nicht mit und auch nicht die Pfarreien der beiden Dekanate rechts und links des Mains. Nicht wegen seiner Körpergröße wird Albert als Großer verehrt, war er doch einer der vielen Kleinen, von denen Mark Twain gesagt hat: „Gott muss wohl die Kleinen besonders lieben, sonst hätte er nicht so viele davon erschaffen.“ Bei einer Audienz hat der Papst ihm gesagt, er solle doch aufstehen. Albert erwiderte: „Heiliger Vater, ich stehe schon!“ Der kleine Mann war ein wahrhaft Großer in den Naturwissenschaften, in der Philosophie und in der Theologie; er war vor allem ein Großer im Dienst der Menschen. In mehreren Ländern hat er diesen Dienst wahrgenommen; mehrfach hat er es in Würzburg getan. Dreimal war er hier bevor er ab 1264 drei Jahre lang hier gewohnt und gewirkt hat. Deshalb wurde es vor 40 Jahren höchste Zeit, dass Würzburg eine St. Albert-Gemeinde bekam, und später ein Gotteshaus, das ihm geweiht wurde, und vor allem eine Gemeinde aus lebendigen Gliedern, die berufen ist, im Geist Alberts zu leben.
Albert-Gemeinde
Wenn wir das 40jährige Jubiläum feiern, wollen wir nicht nur dankbar zurückschauen. Wir wollen uns fragen, wie es heute um die Gemeinde steht und was in Zukunft geschehen soll. Lassen wir uns vom heiligen Albert leiten, dann heißt die Aufgabe: eine solidarische Gemeinde, eine friedfertige Gemeinde, eine apostolische Gemeinde werden.
Solidarische Gemeinde
Eine St. Albert-Gemeinde hält zusammen. Der heilige Albert war ein Mann der Gemeinschaft. 1229 hat er sich der jungen Gemeinschaft der Dominikaner angeschlossen. Trotz seiner vielen wissenschaftlichen Aufgaben hat er sich immer wieder für diese Gemeinschaft eingesetzt. Das führte dazu, dass man ihm die Leitung der gesamten deutschen Provinz anvertraut hat. Ein Schlüsselwort für seine Einstellung ist der lateinische Begriff „commansio“. Es bedeutet zusammenwohnen, zusammensein. Für Albert ist die in Christus geschenkte Gemeinschaft mit dem Vater untrennbar mit der Gemeinschaft unter uns verbunden. Diese Überzeugung befähigte ihn, ein echter Freund der Menschen zu sein. Ein Beispiel dafür ist sein Verhältnis zu seinem Schüler Ulrich von Straßburg. Nach dessen Studium in Köln war er in Würzburg als Lehrmeister tätig. Albert suchte ihn hier auf und nahm ihn nach Regensburg mit, als er dort das Bischofsamt wahrzunehmen hatte. Ulrich bedankt sich in einem Brief dafür, dass Albert ihn aus ernster Gefährdung gerettet hat; als er nicht aus und ein weiß, bittet er ihn, zugleich sein Wagen und sein Lenker zu sein1. Ist das nicht ein schönes Bild der Freundschaft und zugleich ein Bild für das, was die Heiligen für uns sein und tun können? Sie sind wie ein Wagen, der uns voranbringt, und zudem wie der Lenker, der diesen Wagen ans Ziel steuert. Eine Gemeinde, die sich nach dem heiligen Albert ausrichtet, folgt den Worten der heutigen Epistel: „Seid alle eines Sinnes, voll Mitgefühl und brüderlicher Liebe, seid barmherzig und demütig“ (1 Petr 3,8). Die Kraft dazu schenkt uns der Herr durch die Eucharistie. Von ihr lehrt Albert in seinem Lukas-Kommentar, den er in Würzburg geschrieben hat: „Dieses Sakrament wirkt Liebe und Einheit.“2 So ist es das Sakrament des Friedens, den nur der Herr geben kann.
Der heilige Albert hat auf ungewöhnliche Weise sich für den Frieden eingesetzt. Eine Gemeinde, die in seinem Geist lebt, muss eine friedfertige Gemeinde sein.
Friedfertige Gemeinde
Es verdient Beachtung, dass uns nicht nur spektakuläre Friedensbemühungen auf höchster Ebene überliefert sind, sondern auch schlichte Vermittlungsdienste im normalen Alltag. Es mag uns wie ein Missbrauch eines genialen Menschen vorkommen, wenn wir Albert behelligt sehen mit geringfügig erscheinenden Geldstreitigkeiten oder mit dem Zwist über die Höhe einer Stallmauer. Für Albert war offensichtlich kein Anlass zu gering wenn es galt, Menschen zu helfen, Hass zu überwinden, Frieden zu stiften. So entschied er 1267 mit dem Kustos Walter vom Kloster Neumünster und Ritter Marquardt in einem Streit zwischen dem Johanneskomtur und dem Ritter wegen einiger Malter Getreide. In einem Baustreit legte er 1265 fest, dass die Besitzer des Hofes Wenkheim die Stallmauer nur so hoch errichten dürfen, dass dem Nachbarhaus das Licht nicht weggenommen wird. In demselben Jahr wirkte Albert als Friedensvermittler zwischen dem Stift Haug und Gottfried von Hohenlohe. Im August dieses Jahres vermittelte er zwischen dem Bischof und der Bürgerschaft. Diese waren so zerstritten, dass ein Bürgerkrieg drohte. Albert hat dafür gesorgt, dass wieder Friede wurde. In dem Friedensvertrag steht sein Name an erster Stelle.
In Frieden zu leben und dem Frieden zu dienen zählt zu den wichtigsten Aufgaben einer Albert-Gemeinde. Wer zu ihr gehört „meide das Böse und tue das Gute; er suche Frieden und jage ihm nach“ (1 Petr 3,11). Zum Friedensdienst gehören auch die weiteren Aktionen, zu denen der erste Petrusbrief aufruft: „Vergeltet nicht Böses mit Bösem noch Kränkung mit Kränkung! Statt dessen segnet, denn ihr seid dazu berufen, Segen zu erlangen“ (1 Petr 3,9).
Apostolische Gemeinde
Der Einsatz für die Gemeinschaft und für den Frieden gehörte zu dem Apostolat Alberts. Nach schwerem inneren Ringen hat er sich bewusst für die apostolische Gemeinschaft der Dominikaner entschieden. Wie die Apostel wollten die Männer, die sich Dominikus anschlossen, das Evangelium verkünden. Auf diese Aufgabe konzentrierten sie sich im Studium und im Gebet. Sie wussten: Der Glaube ist ein Geschenk zum Mitteilen. Albert tat dies in seinem wissenschaftlichen Bemühen und in der Verkündigung. Dass er ein angesehener Prediger war zeigt die Tatsache, dass er noch als 70jähriger vom Papst beauftragt wurde, in allen deutschsprachigen Ländern das Kreuz zu predigen.
Was er in seiner Zeit auf seine Weise praktiziert hat, ist uns allen auf die eine oder andere Weise in unserer Zeit aufgetragen. Wen Christus mit dem Glauben beschenkt, dem gibt er den Auftrag, den Glauben nach Kräften weiterzugeben. Es reicht nicht, wenn in einer Gemeinde für alle ihre Mitglieder aufs Beste gesorgt wird; alle ihre Mitglieder sind aufgerufen, sich selber aufs Beste für andere einzusetzen. Im Festevangelium vergleicht Jesus das Himmelreich „mit einem Netz, das man ins Meer warf, um Fische aller Art zu fangen“ (Mt 13,47). Das erinnert an die Berufung der ersten Jünger. Nach dem reichen Fischfang sagte Jesus zu Petrus: „Von jetzt an wirst du Menschen fangen“ (Lk 5,10). Die Menschen, die Jesus für das Reich Gottes gewinnt, sendet er aus, dass sie wiederum andere für es gewinnen. So ist jede Gemeinde nach dem Willen des Herrn ein Missionszentrum. Alle ihre Mitglieder gehören zu der vom Herrn eingesetzten Rettungsmannschaft.
Ist uns das bewusst? Was tun wir, damit all das geschieht? Weichen wir diesen Fragen nicht aus. Sie gehören zu unserem Jubiläum.
Alberts Testament
Ein Jahr vor seinem Tod machte Albert sein Testament3. Auch dabei vergaß er Würzburg nicht. Er sorgte darin für das Dominikanerinnenkloster St. Markus in der Pleich. Seinen leiblichen Bruder, den Prior des Würzburger Dominikanerklosters, bestellte er zu einem der Testamentsvollstrecker. Im ersten Satz wünschte er allen, die diese Urkunde lesen, die „Fülle der Liebe“. Dass er die Fülle der Liebe Gottes erkennen durfte, war das größte Glück seines Lebens. Die Fülle der Liebe zu bezeugen war seine Sendung. Um die Fülle der Liebe ging es bei seinem Einsatz für die Gemeinschaft und für den Frieden. All das wirft Licht auf unsere St. Albert-Gemeinde. Mögen alle ihre Glieder immer mehr die Fülle der Liebe entdecken und zudem ihre Berufung, möglichst viele zu dieser Fülle der Liebe hinzuführen. Das ist mein Segenswunsch zum 40jährigen Jubiläum dieser Gemeinde. Amen.